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Interview mit einer Künstlerin

Damaris Wurster
Der Kubus
Das Atelier

Das Fliegende Künstlerzimmer1 ist in Nidda gelandet. An Bord: Damaris Wurster.
Höchste Zeit für ein Gespräch mit ihr.
„Schulalltag ist irgendwie auch absurd.“ Deutlicher lässt es sich kaum auf den Punkt bringen, dass dieses so wohlgeordnete Universum mit Namen „Gymnasium“ nach außen durchaus befremdlich wirken kann. Umso wichtiger ist der Besuch von Outer-Space. Ich habe mir einige Fragen für das Interview vorbereitet, aus dem Frage-Antwort-Spiel wird aber schnell ein gemeinsames Nachdenken über die Knackpunkte des Schulalltages.
Damaris empfindet diesen als „straight“, klar hin zum Bildungsziel Abitur ausgerichtet. Das macht die Ressource „Zeit“ umso wertvoller, bis hin zur Kostbarkeit. Als Künstlerin, die nach wie vor ihren eigenen Arbeiten nachgeht, genießt sie die Ruhe nach der Schulzeit. Dann wird der Kubus des Fliegenden Künstlerzimmers zum Atelier. Ihr Spezialgebiet ist das Medium Fotographie.
Am Vormittag geht es wesentlich unruhiger und lebendiger zu. Die Kinder malen, bauen, experimentieren. Andere holen sich Rat für eigene Projekte. Und manchmal wird Damaris ins Vertrauen gezogen, und die Kinder erzählen ihre ganz persönlichen Probleme.
Sie selbst liebt die Performance, das Entwickeln und Ausprobieren von Ideen. „Es hat Klick gemacht“, ist das so wesentliche Erlebnis, das sie genießt. „Vielleicht hilft es, dass ich

Monster in Arbeit

keine Lehrerin bin.“ Das schmerzt ein wenig, denn zu gerne sieht man sich als Lehrer irgendwie als Vertrauensperson. Und steht doch so oft im Interessenkonflikt mit den Schülerinnen und Schülern. Dennoch reagiert sie auf die Frage, ob sie sich ernst genommen fühle: „Ja“.
Gerade über die künstlerische Arbeit mit den Kindern kann ein vernünftiges Arbeitsverhalten erreicht werden. Der Kubus schafft ein eigenes Raumgefühl, hier können die Schülerinnen und Schüler „anders sein“ und damit aus ihrer Rolle im Schulleben herauskommen.
Damaris möchte keine Rolle spielen, schon gar nicht die der Künstlerin, von der eine gewisse „Durchgeknalltheit“ erwartet wird. Allerdings weiß sie aus ihrer Tätigkeit am Kunstmuseum in Stuttgart und der Städtischen Galerie Sindelfingen, dass auch von Künstlern ein seriöses Auftreten erwartet wird, dass die Außenwirkung kein Selbstläufer ist. Hier allerdings kommt sie raus aus ihrer Bubble des Kunstbetriebes und weht frischen Wind in die Bubble „Gymnasium“.
Spannend finde ich unseren  Austausch über die „Kulturschule“. Ich empfinde den Begriff immer mehr als Label und hatte mir doch so sehr einen Kurswechsel des behäbigen Tankers Schule erhofft. Damaris fragt sich zu Recht: „Was bleibt?“, wenn sie nach 2 Jahren hier bei uns geht.
Auf die Frage, was sie der Schule geben würde, wenn sie alle Mittel zur Verfügung hätte, meint sie: „Zeit“: Schule erlebe sie als „komprimierte Zeit“. Schule brauche aber mehr Zeit, gerade für kreative Praxis.
Mit dem Fliegenden Künstlerzimmer schließt sich für mich ein Kreis. Denn die Projektarbeit in meinem Studium „Kulturelle Bildung an Schulen“ hatte als Ziel die Planung eines Kunstgebäudes für das Gymnasium Nidda. Das Vorhaben ist gescheitert – in diesem Studiengang nahezu Frevel.
Aber ich habe sehr viel daran gelernt. Nun steht ein vergleichbarer Kubus auf dem Schulhof. Und beweist einmal mehr, dass es die Parameter „Raum“, „Zeit“ und „Geld“ sind, die für das Gelingen guter Bildung nötig sind. 
Liebe Damaris, Dankeschön für das Gespräch.                                      


1 Kindern und Jugendlichen auch in ländlichen Räumen die unmittelbare Begegnung mit Künstler:innen zu ermöglichen – das war der Gedanke der Crespo Foundation, als sie 2018 „Das fliegende Künstlerzimmer“ als Programm zur kulturellen Schulentwicklung in Kooperation mit dem Hessischen Kultusministerium und dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst ins Leben rief. Das fliegende Künstlerzimmer ist ein mobiles Wohn-Atelier, das inzwischen an sechs Schulen im ländlichen Hessen und seit 2023 auf einem öffentlichen Platz in einem Frankfurter Stadtteil gastiert. Es dient an einem Standort zwei Jahre lang als Arbeits- und Wohnort für Künstler*innen, die als „Artists in Residence“ gemeinsam mit der ganzen Schulgemeinschaft bzw. mit Bewohner*innen des Stadtteils kreative Arbeitsprozesse erproben.
(Zitat der Website der Crespo Foundation:
https://www.fliegendes-kuenstlerzimmer.de/start)

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